Was ist ein Unkraut?
Zuerst einmal sollten wir den Begriff “Unkraut” genauer unter die Lupe nehmen. Was ist ein Unkraut? Unkraut ist ein von uns Menschen geprägter Begriff, den es in der Natur überhaupt nicht gibt. Wir bezeichnen damit gerne alle Kräuter, die unseren ästhetischen Blick stören und sich in einer von uns erzeugten, unnatürlichen Landschaft breitmachen. UNERHÖRT!!!
Nicht einmal Terrassen oder gepflasterte Wege sind vor dem grünen Zeug sicher. Oft reicht die kleinste Ritze aus und schon keimt darin ein winziges Pflänzchen. Hat die Wurzel erst einmal Fuß gefasst, haben wir bereits verloren.
Oh, diese Ausgeburten der Hölle. Wie der Wasserschwall in Goethes Ballade »Der Zauberlehrling« breitet es sich in unserem Garten aus. Wo und wie wir es auch zu verhindern versuchen, immer wieder taucht es auf. Überall wüten »Unkräuter«, machen sich breit, bearbeiten unsere liebevoll hochgezüchteten Ertragskulturen. Wir sagen ihnen den Kampf an, oft mit schwerem Geschütz.
Und so kommt es, dass sich der »gute Gärtner« in seinem Naturareal hauptsächlich damit beschäftigt, die Natur zu beeinflussen und zu verdrängen. Was für ein Aufwand! Dabei soll ein Garten doch ein erholsamer Lebensraum sein, in dem wir frohe Stunden verbringen können.
Nun gibt es ja wirklich Leute, die von sich behaupten, es ist ihnen ein Bedürfnis in ihrem Garten herumzuwühlen. Ist das wirklich so?
Mein Garten:
Also ich habe einen großen Garten am Haus und bin gerne darin tätig. Da schneide ich die Bäume und Gehölze, die Rosen, entferne abgestorbene Pflanzen und setze Neue in die entstandene Lücke, säe und pikiere, bringe Kompost in die Gemüsebeete. Als Lohn darf ich einige Wochen später etwas zu ernten. Salat, Gemüse, Erdbeeren, Obst und natürlich meine Kräuter und essbare Blüten. Oder ich ernte den Honig, den meine Bienen so fleißig aus der näheren Umgebung heranschleppen.
Und was mache ich im Garten am liebsten? Richtig, ich sitze zum Sonnenuntergang mit meiner Partnerin am Gartenteich, dazu ein Glas Wein in der Hand und wir beobachten die Vögel und Insekten, die sich um uns herum tummeln. Da fühlen wir uns wie im Paradies. Ja, auch genießen will gelernt sein.
Was ich überhaupt nicht gerne mache, ist: Unkraut jäten. Nun ist dies auf dem überwiegendem Teil unser 2000 qm auch nicht notwendig, da auf der Wildwiese alle Gräser und Kräuter wachsen dürfen, wie sie wollen und können. Sie danken es uns mit einem bunten Blütenmeer bereits im zeitigen Frühjahr. Nach den vielen Schneeglöckchen folgen Krokusse und Primeln, Blausternchen und Schlüsselblumen. Löwenzahn setzt gelbe Punkte dazwischen. Im Sonnenschein öffnen Gänseblümchen ihre Blüten. Besonders erfreuen wir uns jedes Jahr an den großen Flächen, wo die Margeriten üppig und lange blühen. Diese Stellen werden erst nach der Blüte wieder gemäht.
Blau und rot zeigt sich das Lungenkraut mit seinen gefleckten Blättern. Die winzigen Gundermannblüten fallen dagegen nur bei genauem Hinsehen auf. Die Wiese ist eine wahre Schatztruhe für die Küche. Wegericharten, Schafgarbe, Brennnessel, Taubnesseln, Labkraut, Giersch, Ampfer und andere Arten verleihen unseren Speisen den besonderen Kick. Mit essbaren Blüten werden Salate oder bunte Platten dekoriert. Allerdings trauen sich nur wenige unserer Gäste, die Blüten zu verspeisen. Ihnen ist es fremd, dass sie essbar sind. Dabei sieht die Blüte der Kapuzinerkresse nicht nur toll aus, sondern schmeckt einfach köstlich.
Doch ich schweife ab. Es geht ja um Teufelszeug, dass wir aus unseren Beeten fernhalten wollen. Wie funktioniert das bei uns?
Ehrlich gesagt, mangelhaft. Wenn es mir zu doll wird, dann gehe ich schon mal ans Werk, wenig motiviert und weniger gründlich als dies meine liebe Elvira tut. Aber es verschafft den Pflanzen, die sich stärker entwickeln sollen zumindest wieder mehr Platz. Mir ist schon klar, dass es ganz ohne jäten nicht funktioniert, eine gute Ernte einzubringen.
Der neue Trend: „Alles aufessen!“
Damit jedoch arbeiten wir gegen die Natur. Es ist von ihr nicht vorgesehen, dass fruchtbarer Ackerboden ohne Pflanzenwuchs bleibt. Eine Möglichkeit, dem etwas Positives abzugewinnen, besteht nun darin, diese Kräuter zu ernten und in unseren Mahlzeiten zu verarbeiten. Für uns eine einzige Gewinnsituation, bringt sie doch neben interessanten Geschmacksvariationen noch viel Vitamine und dank der wertvollen Inhaltsstoffe profitierten unsere Körperfunktionen.
Wichtigste Voraussetzung hierfür ist es allerdings, dass wir die Kräuter kennen. Wir müssen wissen, welche wir verwenden können, denn es lauern auch giftig Pflanzen unter ihnen. Auf keinen Fall dürfen wir Kräuter bedenkenlos einsetzen denn schon Paracelsus hat festgestellt: »Die Menge macht, ob ein Ding giftig ist.« Dann ist da ja noch diese Abneigung gegen Dinge, die wir nicht kennen. „Wat de Bauer nit kennt, det frisst er nich!“
Stellen wir dieses Thema jedoch erst einmal zurück und einigen uns darauf, dass wir bei aller Liebe zu den Kräutern auch noch etwas Gemüse oder Obst ernten wollen. Hier sind uns die natürlichen Pflanzen im Wege, die tatsächlich ja nur ihren »Sinn des Lebens« erfüllen. Einigen wir uns darauf, dass unser »Unkraut« lediglich zur falschen Zeit, am falschen Ort steht. Dies sollte aber nicht der gesamte Garten sein, das wäre eher ein Armutszeugnis für einen guten Gärtner. Es würde uns auch eine Menge Energie kosten und vor allem wertvolle Lebenszeit, die wir mit schöneren Dingen viel sinnvoller verbringen können.
Analyse und Strategie
Wenn wir also schon in den sauren Apfel beißen müssen, dann so effektiv wie möglich. Dafür müssen wir unsere Gegner kennen, wissen, wie wir ihre Strategie zur erfolgreichen Vermehrung durchkreuzen können.
Jede Pflanze hat ihre speziellen Ansprüche an Standort, Bodenbeschaffenheit und Feuchtigkeit. Nur wenn ihr alles behagt, wird sie sich auf Dauer durchsetzen können. Wenn wir nun wissen, wie die Ansprüche der Pflanzen sind und erkennen, welche Gesellen sich bei uns breitmachen, können wir auch sagen, was unserem Boden fehlt, oder wovon er zu viel besitzt. Breitwegerich beispielsweise gedeiht gut auf sauren Böden. Mit etwas Kalk heben wir den pH-Wert in den neutralen Bereich, was unserem Unkraut nicht behagen wird. Ackerschachtelhalm zeugt von verdichteten Böden. Hier findest Du eine Tabelle mit wesentlichen Zeigerpflanzen. Du musst Dir allerdings notieren, welche Kräuter in Deinem Garten dominant sind. Alternativ kannst Du auch eine Bodenprobe in einem Labor untersuchen lassen. Das dauert ein paar Tage, aber dafür hast Du das Ergebnis auf dem Papier und eine Rechnung noch dazu.
Aber denke jetzt nicht, wenn Du die Bodenverhältnisse in das Gegenteil verkehrst, lösen sich Deine Unkrautprobleme in ein angenehmes Nichts auf. Du darfst sicher sein, dass in jede noch so kleine Lücke das nächste Kraut hineinschlüpft, dem das neue »Bett« jetzt besser passt. Doch auch den meisten Gemüsesorten wird es nun behaglicher sein. Sie werden üppiger wachsen und sich von der Konkurrenz nicht so stark beeindrucken lassen. Wächst Dein Gemüse besser, nimmt es den Kräutern das Licht, sie bleiben klein, richten keinen Schaden an. Vorteil für Dich!
Willst Du einen dauerhaften Sieg, muss Dir klar sein, dass Du einen langen Atem benötigst. Selbst wenn sich der Erfolg eines Tages einstellt, wird Dir kein Nachlassen der Aktivitäten vergönnt sein, wer die Natur bekämpfen will, muss durchhalten bis zum letzten Atemzug.
Anmerkung: »Haben wir die Natur erst bekämpft, wird uns die Luft zum Atmen fehlen!«
Wie soll Dein Garten sein?
Fragen wir uns also vor der vielen Arbeit noch einmal: »Wie soll mein Traumgarten aussehen? Soll er steril wirken, damit man erkennt wie Porree und Möhren in exakter Formationslinie stehen und heranreifen zu stattlichen Exemplaren? Gerade, jeder Norm entsprechend? Und Schande, über jeden Schmetterling, der sich erdreistet, seine Gelege auf dem Blattwerk unseres Kohls zu platzieren. Mögen ihn die Gifte aus den Tiefen der Gartenmarktabteilungen dahinraffen auf ewig!«
Ich weiß, es gibt solche Gärtner. Ich habe sie selbst erlebt. Aber ich bin sicher, wer diesen Artikel bis hierher gelesen hat, gehört nicht in diese Schublade. Bitte liebe Gartenfreunde lasst der Natur ihren Raum und gebt ihr mehr Freiraum. Nur die kleinsten Gärten werden komplett zur Nutzfläche. In den meisten Gärten werden sich in den Randbereichen Brachflächen finden, um ein gesundes Ökosystem in Miniatur wachsen zu lassen. Dort, wo die Brennnesseln einmal groß sind, breitet sich nichts anderes aus. Sie bieten Nahrung für zahlreiche Raupen der Schmetterlinge und Kinder und Enkelkinder erfreuen sich immer wieder neu an dem schaukelnden Flug der farbenfrohen Falter.
Werden sie uns zu groß, gehen wir mit der Sense entlang, stopfen den Schnitt in ein Wasserfass und füllen Wasser auf. Steht die Brühe in der Sonne, erhalten wir nach einiger Zeit eine fabelhafte Brühe, mit der wir wunderbar düngen können. Wenn sie zu stark, ist, vor der Anwendung verdünnen. So brauchen wir nicht mal Dünger zu kaufen. Die Brennnessel selbst treibt neu aus und wenn nun schon mal ein Anfang gemacht ist, geh einfach noch den nächsten mutigen Schritt. Nimm ein paar von den jungen Trieben und nutze sie als Küchenkräuter.
Wie geht es weiter?
Puh, ich hoffe, Du bist noch nicht überfordert und ich werfe jetzt nicht gleich Deine gesamte Weltanschauung über den Jordan. Eigentlich wolltest Du ja Unkraut loswerden nicht wahr. Lass uns eine kleine Pause einlegen, in der Du Dir überlegen kannst, wie Dein Garten für Dich am angenehmsten ist. Der Artikel ist auch lang genug. Im Nächsten werde ich endlich zur Praxis kommen. Hier gilt es dann, Ärmel hochkrempeln. Los geht es mit den Gemüsebeeten. Wir machen Samen-, Wurzel- und Ausläuferunkräutern den Garaus. In weiteren Artikeln widmen wir uns den Blumenbeeten, betrachten den Einfluss des Mondes auf unsere Gartenarbeiten und beleuchten, warum ein Kalkschotterbeet eine naturnahe Alternative darstellt zu den Kiesgärten, die vielerorts vor den Häusern die Natur veröden.
Es lohnt sich, dabei zu bleiben.
Euer Kräuter-Thomas