Taraxum officinale
Einem Löwenzahn in unserer heimischen Natur nicht zu begegnen, ist unmöglich, denn die Vermehrungsstrategie der kleinen Pflanze ist genial. Wer von uns hat als Kind nicht schon eine Pusteblume gepflückt und die kleinen Schirmchen in die Welt hinaus geblasen. Die daran hängenden Samen begnügen sich mit der winzigsten Ritze um zu keimen. Wie aus dem Nichts bricht eine neue Löwenzahnpflanze hervor und verschafft sich mit unbändiger Kraft ihren Platz in der Natur. Dieses Schauspiel kann ich jedes Jahr bei uns vorm Haus erleben.
Auf dem Fußweg wachsen aus der schmalen Fuge unzählige Löwenzähne heraus. Dort stehen sie sicher wie in einer Festung, denn an ihre Wurzeln kommt man nicht heran. Man ihnen zwar den Kopf abschlagen, doch wie bei der neunköpfigen Hydra wachsen sie immer wieder nach. Sichtbare Zeugen dafür, dass die Natur in der Lage ist, die Zeichen unserer Zivilisation jederzeit zurückzuerobern.
Sammeln von Löwenzahn und seine verwendbaren Teile
Löwenzahn findet man beinahe das ganze Jahr über. Die Hauptblüte ist zwar im April/ Mai, doch die Pflanzen schieben immer wieder neue Blüten nach. Die gezahnten Blätter entwickeln sich je nach Art und Sonneneinfluss etwas unterschiedlich. Verwenden kann man die gesamte Pflanze. Blätter und Blüten (vitaminreich) im Frühjahr und die Wurzel im Herbst, wenn sie die Kräfte des Sommers in sich aufgenommen hat. Gereinigt, getrocknet und geröstet lässt sich ein bitterer Kaffee aus ihnen herstellen. Mit der frischen Wurzel stellt man eine Essenz her, indem man 2-3 Wurzeln zerkleinert, mit einem Viertelliter Korn oder Obstler ansetzt und nach 2 Wochen abseiht. Davon nimmt man bei Verdauungsproblemen bis zu 3 Mal täglich einen Esslöffel ein.
Die frischen Blätter eignen sich besonders für Salate aller Art, ähnlich wie Rukola. Eine kostengünstige Variante eben. Ein paar Blättchen im Salat bringen bereits eine gewisse Wildwürze in den Geschmack. Kombiniert man noch mit weiteren Wildkräutern, können sie ihren Gästen wahre Gaumenfreuden servieren. Mit den Blüten lässt sich ein Sirup herstellen, der als süßer Brotaufstrich schmeckt oder auch ein Likör.
Was steckt drin
Jeder kennt Löwenzahn, weiß wie er aussieht. Es sind aber wenige, die wissen, wie viel Gutes in dieser Pflanze steckt. Das Wort »officinale« im lateinischen Namen bedeutet, dass die Pflanze fester Bestandteil einer Kräutersammlung von Apotheken (Officin) war. Sie gilt damit als angesehene Heilpflanze. Taraxum wiederum steht für »Bitteres Kraut« und bitter bedeutet Gerbstoffe, die sich positiv auf unsere Verdauung auswirken. Sie regen die Produktion von Gallensäften an und stimulieren das Immunsystem. Drüber hinaus enthält er u.a. die Vitamine E und D und sogar Omega 3-Fettsäuren.
Anwendung
Ein Tee wirkt bei Verstopfung, Völlegefühl, Blähungen und Appetitlosigkeit. Für die Herstellung bringt man 2 Teelöffel frische Blätter und Blüten mit einem Viertelliter Wasser zum Kochen, lässt dies 10 Minuten ziehen und seiht dann ab. Davon trinkt man zweimal eine Tasse am Tag. Die Verwendung von Zucker verändert die Wirkung von Kräutertees. Wer unbedingt süßen möchte, sollte lieber zu Honig greifen. Auch hiervon nur wenig, und darauf achten, dass Honig wiederum seine Enzyme verliert, wenn er über 35° erhitzt wird. Wenn wir schon beim Honig sind, die Blüten des Löwenzahn sind eine gute Bienenweide. Für 1 kg Honig müssen meine Bienen 100 000 Blütenbesuche absolvieren. Gegen Abend und bei Regen verschließt sich die Futterbar. Die Blüte selbst ist allerdings nicht auf eine Fremdbestäubung angewiesen.
Eine Löwenzahnkur (über 4 Wochen) im Frühling bringt einen übersäuerten Körper wieder ins Lot und den gesamten Organismus in Schwung. Die Wirkung spürt man an der zunehmenden Festigkeit des Zahnfleisches, am schnelleren Heilen von Wunden und auch das Haarwachstum wird angeregt, zumindest solange die Quelle noch nicht völlig versiegt ist. Bettnässer behandelte man ebenfalls mit Löwenzahn und die Pflanze erhielt den Beinahmen „Bettpisser“.
Für Tiere und Kinder
Tiere wissen das Kraut instinktiv zu schätzen. Bei Kühen sagte man ihm früher eine milchsteigernde Wirkung nach, daher wohl auch der Name Kuhblume. Kaninchen lassen alles andere links liegen, wenn sie Löwenzahn fressen können. Interessanterweise fressen Schnecken nicht an den Blättern.
Wer seinen Kindern die Natur näherbringen möchte, bediene sich des Löwenzahns. Eine Pusteblume gegen das Licht gehalten, bringt ihnen ein wahres Kunstwerk näher. Mit einem kräftigen Pusten kann man Orakel spielen, denn die verbleibenden Schirmchen verraten die Zukunft. Auf den Blütenstängeln kann man trompeten, oder man ritzt sie mit einem Messer ein und hält sie ins Wasser, was die merkwürdigsten Gebilde hervorbringt. Einige flechten aus den Blüten Kränze als Kopfschmuck.Übrigens lässt sich aus der Milch des Löwenzahn sogar Gummi herstellen.
Der Löwenzahn konnte sich in den letzten Jahren sehr gut entwickeln. Seine Vermehrung wurde begünstigt, weil viele Brachflächen wieder intensiver genutzt und damit auch gedüngt werden. Dies führte zu einem deutlichen Rückgang der Artenvielfalt auf den heimischen Wiesen. Nutznießer war der Löwenzahn, eine der wenigen Pflanzen, die auch auf fettem Boden wachsen.
Wer also beim nächsten Spaziergang die auffälligen gelben Blüten sieht, betrachtet die Pflanze hoffentlich mit dem Respekt, der ihr gebührt.
Rezepte:
Löwenzahnsalat „Elsass“
- 3 Handvoll Löwenzahnblätter
- 30 g Speckwürfel
- 1 Zwiebel
- 4 EL Olivenöl
- 2 EL heller Balsamico
- Salz, Pfeffer, Crème fraiche
- 1 gekochte Kartoffel
- 1 gekochtes Ei
Zubereitung:
Löwenzahnblätter waschen, trockenschleudern und wenig zerteilen. Den Speck in einer Pfanne auslassen, kleingewürfelte Zwiebel dazugeben und glasieren. Für die Soße Essig, Öl und Gewürze vermengen und die gekochte, mit der Gabel zerdrückte Kartoffel untermengen. Mit Crème fraiche sämig rühren und die Blätter dazugeben. Das gekochte Ei halbieren, dazulegen und mit den Zwiebeln und dem Speck aus der Pfanne anrichten.
Vegetarier ersetzen den Speck durch geröstete Nüsse, Sonnenblumen- oder Kürbiskerne.
Löwenzahnhonig
Löwenzahnblüten sammeln, nicht waschen, sondern ausgebreitet auf ein Tuch legen, damit sich eventuelle Insekten in Sicherheit bringen können. Die grünen Kelche abzupfen und die gelben Blüten mit Wasser bedeckt zum Aufkochen bringen. 10 Minuten köcheln und den Sud über Nacht stehen lassen. Am nächsten Tag absieben und mit Zucker (1:1) und etwas Zitronensaft unter Rühren langsam einkochen bis die Masse zäh wie Honig ist. Heiß in Schraubgläser füllen.
Löwenzahnlikör
Eine gute Hilfe zur Verdauung nach dem Essen.
40 bis 50 Blüten mit ½ Liter hochprozentigem Korn oder Obstler übergießen. 2 Wochen stehen lassen und täglich aufschütteln. Den Ansatz filtern. 250 g braunen Zucker mit einem halben Liter Wasser zum Sirup einkochen lassen. Beide Flüssigkeiten vermengen und in kleine Flaschen füllen, gut verschließen und noch einige Zeit stehen lassen.